Dorferneuerung und Gestaltungsbeiräte für mehr Qualität in der Baukultur
„Das gemeinschaftliche Denken in Bezug auf das Leben im Dorf und nicht so sehr der Blick auf das einzelne Haus für mich: Das ist einer der zentralen Aspekte meiner Arbeit für die Dorferneuerung“ betonte Nikolaus Juen bei seinem Vortrag im Rahmen des Themenabends „Dorferneuerung und Gestaltungsbeiräte für mehr Qualität in der Baukultur. Neben Nikolaus Juen kamen bei der Veranstaltung, die Teil der Reihe „Baukulturfür alle?!“ ist, auch noch Arch. Ulrich Weger, Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer und der Präsident des Gemeindenverbands Andreas Schatzer zu Wort.
Nikolaus Juen ist Leiter der Geschäftsstelle Dorferneuerung des Landes Tirol. An ihn wenden sich Gemeinden und Bürger, wenn sie ein neues Dorfzentrum brauchen, weil das Dorf nicht mehr richtig funktioniert oder weil sie noch Bauland haben, bei dem sie sich nicht einig sind, wie es am besten zu verwenden wäre. Die Geschäftsstelle für Dorferneuerung führt dann Dialoge mit allen Beteiligten, erstellt Konzepte für Bauprojekte, die meist in Wettbewerbsverfahren enden. Sie erarbeiten im Dialogprozess Siedlungsprojekte, die für die nächste Generation eine Nachverdichtung ermöglichen. Eine wichtige Aufgabe ist die Begleitung der Bürger und Gemeindeverwaltung auf dem Weg bis zur Realisierung, damit ein gutes Resultat garantiert werden kann. Bürger arbeiten in Dorfwerkstätten mit den Planern zusammen und nehmen am Gestaltungsprozess teil, was für die spätere Akzeptanz ganz wichtig ist.
Auch die Erarbeitung von verschiedenen Optionen ist sehr wichtig!
Es braucht Optionen und Szenarien, über die diskutiert werden kann und die eine längerfristige Entwicklung ermöglichen. Die begleiteten Dialoge führen zu einem Wissenstransfer, man kommt so zu Erkenntnissen und Überzeugungen, die für die zukünftige Gestaltung von großer Wichtigkeit sind.
Arch. Juen zeigt diesen Weg des gemeinsamen Dialogs an Hand von Beispielen aus Patsch, Steinberg am Rofan, Lans, Fließ, Ischgl oder Ebbs, wo eine Straße, die durch das Dorf führte und die verschiedenen Einrichtungen wie Schule, Gemeinde, Kirche und Altersheim verband, am Ende des Prozesses als nicht mehr als zeitgemäß erachtet wurde: es wurde eine neue Spange in einem anderen Maßstab geplant, welche nun verschiedenen Einrichtungen für die Dorfgemeinschaft verbindet.
Der Architekturwettbewerb ist zentraler Bestandteil des Prozesses
In den Wettbewerbsjurys sind die Bürger vertreten, die Sachvertreter sind meist stärker vertreten als die Fachvertreter. Auch die Revitalisierung der Ortskerne wird gefördert, indem Leerstände neu genutzt werden sollen und Verdichtungsbauten mit Wohnbauförderung bezuschusst werden.
Man versucht, Qualitäten aufzuzeigen und zu erhalten und spart so nicht nur Flächen im Randbereich, sondern stärkt das Leben und die Qualität im Zentrum.
Das Land Tirol fördert diese Entwicklungs-Arbeit zu 75%, auch für die Ausführungskosten gibt es Beiträge bis zu 50%. Es ist gut investiertes Geld, das den Start in weiterführende Wettbewerbe ermöglicht.
Gestaltungsbeiräte
Zum Thema Gestaltungsbeiräten erklärt Arch. Juen, dass das Land Tirol diese Serviceleistung Gemeinden anbietet. Er ist beratend neben der Raumordnungs- und der Dorferneuerungsabteilung tätig und gibt Bebauungsempfehlungen. Gemeinden schätzen diese Einrichtung, weil sie die Verantwortung der Entscheidung an andere abgeben können. Über die Stadt-und Ortsschutzgesetze gibt es verschiedene Schutzzonen(ganze Zonen, Einzelobjekte, Ensemble die landschaftsstiftend sind) in denen jedes Projekt von einem Beirat begutachtet werden muss. Es wird versucht, im Dialog gute Kompromisse zu finden.
Beratungen wichtig für die Einbindung ins Umfeld
Arch. Ulrich Weger berichtet im zweiten Vortrag von seiner Erfahrung als Landessachverständiger für Landschaftsschutz, als Ensembleschutzbeauftragter und Ersteller von Durchführungsplänen. Ihm ist aufgefallen, dass Beratungen zwar nicht gute Planung ersetzen, aber eine wesentliche Rolle bei der Einbindung der Objekte in das Umfeld spielen. Gute Planer stellen sich auf diese Gutachten ein. Erschwert wird der Prozess oft durch Varianten für Einzelinteressen. Sie beeinträchtigen häufig die Gesamtlösung, deshalb ist eine Bewertung der Einzelprojekte in Bezug auf das Gesamtbild wichtig.
Die kostenfreie Beratung als Ensembleschutzbeauftragter wurde in Lüsen in der Bauordnung festgeschrieben. Es gab eine gute Zusammenarbeit mit dem Bauamt, das seine – im Rahmen von Lokalaugenscheinen entstandenen – Gutachten an die Baukommission weiterleitete.
In den Gestaltungsbeiräten müssen Experten sitzen
Der Präsident des Gemeindenverbandes Andreas Schatzer erklärt, dass die Landesregierung den Gemeinden die Entscheidung überlassen wollte, zusätzlich zu den anderen Kommissionen einen Gestaltungsbeirat einzurichten und die Anzahl und Kompetenzen der Mitglieder selbst zu bestimmen. Sie können Mitglieder der Gemeindekommission für Raum und Landschaft oder externe Berater einsetzen. Es sollten aber, so Schatzer weiter, auf jeden Fall Fachleute für Baukultur und Landschaft in diesem Gremium vertreten sein.
Schatzer erklärt außerdem, dass die Gemeindekommission für Raum und Landschaft für alle Pläne der Gemeinde zuständig ist und dass die Sektion für Bauwesen dieselben Mitglieder wie die Gemeindekommission für Landschaft hat und je nach Aufgabe tätig wird. Jedes Projekt sollte jedenfalls nur in einer Kommission begutachtet werden.
Qualität der Planung und Schutz von Ensembles muss im Vordergrund stehen
Landesrätin Kuenzer erklärt, dass laut neuem Gesetz die verpflichtende Planung für Ensembles in Südtirol nun ein Bestandteil des Gemeinden-Entwicklungsprogramm ist. Sie hebt hervor, dass auch für sie eine Beratung nicht mit Planung gleich zu setzen sei, dass aber häufig das Verständnis für Beratung noch nicht vorhanden sei.
Auch die neuen Gemeindekommissionen für Raum und Landschaft sollen nicht die einzelnen Projekte bewerten, sondern vor allem die Qualität der Gesamtplanung. Sie erwähnt, dass der bestehende Landesbeirat für Baukultur und Landschaft, welcher um Gutachten im Siedlungsgebiet und auch außerhalb angefragt werden kann, sich immer um Kontext und Landschaft bemüht.
Die Gemeinden müssen dafür sorgen, dass Bürger und Experten zusammenkommen
Für Landesrätin Kuenzer ist es wichtig, dass Gemeinden eine neue Identität entwickeln: Ein Gebäude hat nur Sinn, wenn es ein Teil vom Entwicklungsplan für das Dorf für viele Jahre ist. Fach- und Bürgerexpertisen müssen in Veranstaltungen zusammengeführt werden, das kann nicht an einem Abend geschehen. Die Gemeinden sollen die Moderation extern vergeben, damit Fachexperten mit den Bürgern professionell zusammengebracht werden. Es braucht ein „wir+ihr+Politik“, das Gemeinden - Entwicklungsprogramm muss zum Thema gemacht werden, damit Modelle für Prozesse entwickelt werden können. Die Politik muss Geld für diese Vorarbeit bereitstellen, weil dadurch ein Mehrwert für unsere Zukunft entsteht.
Zentral ist laut Landesrätin Kuenzer, dass man sich für die Leitbilder Zeit nimmt, Schritte dürfen nicht überhastet sein, die möglichen Entwicklungen sollen besprochen werden, so kann sich Neues den Menschen vor Ort erschließen.
Das Organisationsteam der Architekturstiftung Südtirol
Marlene Roner und Margot Wittig
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